Historische Landtechnik

Der Mähbinder

Rund 80 % der menschlichen Nahrung basiert auf dem Samen von weniger als einem Dutzend Pflanzen. Entfallen diese Samen, dann hört das menschliche wie auch das meiste tierische Leben auf, sobald die Vorräte aufgebraucht sind. So gesehen zählt die Ernte zu den Jahr für Jahr wichtigsten Ereignissen auf der Erde. Aus diesem Wissen um die hier gegebene Abhängigkeit haben sich die Menschen seit alters Gedanken um rationellere Ernteverfahren gemacht. Nachdem über die Jahrtausende das Korn mit primitiven Werkzeugen geschnitten wurde, waren es Engländer, die durch ihre Erfindungen zu Anfang des vorigen Jahrhunderts die Mähtechnik revolutionierten.

Nach verschiedenen mehr oder minder erfolgreichen Versuchen war es der Theologiestudent Patrick Bell, der 1826 eine von Pferden ins Feld zu schiebende Mähmaschine erfand, die bereits mit zwei übereinander liegenden Messern versehen war. Dabei wurden Messerstange und Kurbel bereits über ein System von Zahnrädern durch die Fahrräder der Maschine angetrieben. Später kam dann ein Haspel hinzu, der die Getreidehalme dem Schneidwerk zuführte. Die Bellsche Mähmaschine vereinte damit schon wesentliche Elemente der modernen Mähtechnik.

Auch auf der anderen Seite des Atlantiks war man eifrig dabei, die Mähtechnik zu verbessern. So war es, neben dem weniger bekannten Seemann Hussey, Cyrus Hall McCormick (1809-1884), der sich als Pionier der nordamerikanischen Landtechnik besonders hervortat. Als vorteilhaft zeigte sich bei seinen Mähern die seitliche Anspannung, allerdings wurde noch das Fehlen einer Ablegevorrichtung als nachteilig empfunden. Das noch von Hand zu erledingende Abhaken der geschnittenen Halme erwies sich als aufwendig und beeinträchtigte den Arbeitsablauf, bis dann Mitte der 1860er Jahre der Flügelableger, der Vorläufer des Bindemähers, konstruiert wurde. Bereits 1850 ließ sich der Amerikaner Heath eine Bindemaschine patentieren, die das abgeschnittene und zu Strohbündeln gepreßte Getreide mit einer Kordel umlegte. Der Knoten mußte allerdings noch von Hand gemacht werden. 1857 kam schließlich der große Durchbruch: Der 18jährige John Appleby aus Whitewater/Wisconsin erfand das System des Knoters, das später von nahezu allen renommierten Mähmaschinenherstellern in Lizenz übernommen wurde. Damit war der Weg zum Bindemäher gefunden. Nach dem Schnitt wurden die Halme fortan im Querflußverfahren zwischen zwei Fördertüchern sattelartig über das Antriebsrad zum Packer mit Bindetisch geführt, wo Stoppelendglätter und Knoter in Aktion traten, ehe die Getreidegarben seitlich neben der Fahrspur abgelegt wurden. Die Aufnahme des Mähbinders in der nordamerikanischen Landwirtschaft vollzog sich in rasanter Geschwindigkeit. Um 1890 wurden jährlich bereits über 100000 solcher nicht gerade billiger Maschinen in den USA produziert. Insgesamt war die Mechanisierung der Getreideernte in den USA zur Jahrhundertwende auf einem Niveau, das schließlich die Mitteleuropäer erst kurz vor dem Zweiten Weltkrieg erreichten.

Zusammengefaßt von Georg H. Brodt nach: Dr. Klaus Herrmann, „Pflügen, Säen, Ernten“.

Mit freundlicher Genehmigung des Autors.